Montreal 2007

Vollkommen unerwartet bescherte mir das Jahr 2007 eine Reise nach Montreal, wo seit Juli 2003 meine älteste Tochter Anja Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen studiert. Als sie uns an Weihnachten ’06 fragte, ob es nicht möglich wäre, dass wenigstens einer ihrer Lieben an der bevorstehenden Bachelor-Abschlußfeier teilnehmen könnte, war nach kurzer familieninterner Diskussion klar, dass ich das sein werde 🙂

Dann endlich, es war so weit! 8. Juni 2007, die Koffer gepackt, stand der Fahrt zum Flughafen nichts mehr im Weg. Abgesehen von einer Reise nach Griechenland und in die Türkei in den vergangenen Jahren, sollte dies mein erster längerer Flug, meine erste große Reise überhaupt sein und ich war entsprechend aufgeregt. Wider Erwarten verlief alles ohne nennenswerte Zwischenfälle, pünklich hob das Flugzeug in Richtung Kanada ab.

Ziemlich fasziniert war ich vom Ergebnis der 6-stündigen Zeitverschiebung bei meiner Ankunft in Montreal. Gestartet gegen Mittag in München landete ich nach einem knapp 8-stündigen Flug um 13.50 Uhr (Kanada Ortszeit) in Montreal, was mir ein wenig „spanisch“ vorkam! Gleich nach der Gepäckausgabe empfing mich vor dem Flughafengebäude meine Tochter, die – zusammen mit ihrem kanadischen Freund – das „Empfangskommite“ bildete. Mein ganz persönliches Abenteuer konnte beginnen – vor mir lagen 10 Tage Aufenthalt in einer der schönsten und interessantesten Metropolen der Welt.

Der Rest des Tages verlief unspektakulär. Im Appartement meiner Tochter angekommen, schaffte ich gerade noch einen kleinen Spaziergang rund um den Block, bevor ich gegen acht vollkommen erschöpft auf der Couch einschlief……

Die folgenden drei Tage hatte mich der Jetlag fest in seiner Hand. Am nächsten Morgen wachte ich schon zeitig auf und fühlte mich putzmunter, während mein Töchterchen friedlich schlafend in ihrem Bett schlummerte. Was tun? Nach einer Tasse Kaffee und einer schnellen Morgentoilette schien eine kleine Erkundungstour für den Anfang genau das Richtige zu sein. Es war ein fantastisch schöner Sommermorgen und ich war voller Tatendrang……

Wochen vor meiner Reise über den großen Teich erklärte mir Anja des öfteren, dass – verglichen mit Europa – die räumlichen Dimensionen Kanadas vollkommen andere wären. Ihr „Maam, da wirst du etwas umdenken müssen!“, liegt mir noch heute in den Ohren.

Wie Recht sie doch hatte, denn nicht viel und ich hätte mich bei meinem ersten morgendlichen Ausflug beinahe verlaufen! Die Straße, die ich entlang lief, schien endlos zu sein. Ich überlegte, ob ich weiter laufen, oder – vorsichtshalber – den selben Weg zurückgehen sollte. Wie leicht verliert man auf unbekanntem Terrain die Orientierung und soo abenteuerlustig war ich dann auch wieder nicht! Zumindest festigte sich an diesem wunderbaren Morgen bei mir die Erkenntnis: „Andere Länder, andere Sitten“ und obwohl ich ab und an zweifelte das Appartement meiner Tochter wieder zu finden, beeindruckten mich diverse Dinge am Straßenrand, die ich SO niemals erwartet hätte:

Da waren ausgemusterte Hausgeräte, die zum Zweck des Verkaufs einfach mit entsprechender Preisvorstellung vor die Haustür gestellt wurden! „Sehr ökonomisch!“ überlegte ich, man spart sich in der Zeitung ein teures Inserat! Gewaschene Wäsche hing in schwindelnden Höhen an meterlangen Rollleinen, die von einem Hauseck zum anderen gespannt waren. Praktisch fand ich die „Hinterhof-Treppen“ in allen erdenklichen Konstruktionen. Allerdings gilt es bei Montrealesen als ungeschriebenes Gesetz sie nur in absoluten Notfällen, wie zum Beispiel bei Brandgefahr, zu benutzen.

Nach einer langen langen Weile erreichte ich endlich Anja’s Appartement – sie hatte mich mittlerweile schon vermisst. Für den Nachmittag beschlossen wir den „Jardin Botanique“ nahe des ehemaligen Olympiageländes zu besuchen. Der Anblick des gigantischen Freigeländes und die teilweise imposanten Bauwerke gleich neben dem „schiefen Olympiaturm“ beeindruckten mich im ersten Moment enorm.

Der Park ist in verschiedenene botanische Themenbereiche aufgeteilt. Gleich neben der Bepflanzug eines typisch alpinen Lebensraumes entdeckte ich die Vegetation samt entsprechenden Baulichkeiten aus dem Reich der Mitte. Zusätzlich beherbergt das Gelände ein paar weitere interessante Bereiche, wie z.B. das Insektarium, in dem 4000 verschiedene Käfer, Raupen, Schmetterlinge und Spinnen nebst ihren Lebensräumen zu bewundern sind. Wunderschön angelegt sind auch der riesige Kräuter- bzw. Bauerngarten mit Laube und Laubengang, die Seerosenbecken, das „Baum-Haus“ in dem verschiedene Workshops angeboten werden oder der eindrucksvolle indianische Garten.

Am nächsten Tag besorgte meine Tochter in der nahen Metrostation für mich ein Wochenticket inklusive Übersichtsplan. Damit war – zumindest für den Anfang – meine eigenständige Mobilität gesichert. Metro fahren in Montreal ist im Grunde genommen nichts anderes, als wäre man mit der U-Bahn in München unterwegs… nur größer ist alles – meistens jedenfalls! Was mir besonders auffiel war die Tatsache, dass wirklich jeder mit Rucksäcken oder Taschen gleich welcher Art unterwegs war, in denen der obligatorische mp3-Player untergebracht wurde.

Eigentlich liegt Montreal auf einer Insel. Die Stadt ist nach dem „Mont Royal“, Montreals höchstem Berg, benannt, der malerisch im Stadthintergrund gelegen ist. Sie wird durchquert vom mächtigen St. Lorenz-Strom, dessen gigantisches Ausmaß wirklich nur aus der Vogelsperspektive zu überblicken ist. Zur Stadt gehören außerdem die beiden Inseln Ile St. Hélène und Ile Notre-Dame, die vom St. Lorenz umspült werden. Auf letzterer befindet sich die Rennstrecke „Circuit Gilles-Villeneuve“, wo einmal jährlich das Formel 1-Rennen „Grand Prix du Canada“ – Montreals Top-Event – stattfindet.

Als erstes wollte ich in die Altstadt „Vieux Montréal“ und dem alten Hafen, „Vieux Port“, einen Besuch abstatten. Es war Sonntag und eine wenig lag ein Hauch von gespenstischer Stille zwischen den Häusern, die noch heute – aus architektonischer Sicht – den Geist der Gründerzeit zu tragen scheinen. Alte und historische Gebäude prägen übrigens nicht nur diesen Stadtteil. Im Hintergrund des ursprünglichen Stadtkerns, der in großen Teilen noch ausgesprochen gut erhalten ist, ragen die imposanten Wolkenkratzer „Down Towns“ – Montreals Bankenviertel – in die Höhe, was die Silhouette der Stadt fast schon etwas skuril erscheinen lässt. Kaum sonstwo wird man eine so starke Verflechtung von Historie und Moderne finden, als im Zentrum Montreals. Vollkommen ungerührt fügen sich jahrhunderte alte Villen und Kirchen äußerst harmonisch in modernste Gebäudekomplexe ein. Niemand würde diese Verflechtung von Alt und Neu als unnatürlich empfinden, so selbstverständlich erscheint dieses Stadtbild.

Aus fotografischer Sicht war die Bewältigung meiner Eindrücke in den ersten Tagen nur schwer zu bewältigen. Ein ungewöhnlicher Anblick jagte den nächsten und mehr als einmal stand ich vor dem Problem, wie ich all die großen Häuser und Straßenzüge am aussagekräftigsten ins Bild setzen könnte. Ganz witzig fand ich manche Gewohnheiten der Montrealesen. Mittags zum Beispiel strömten in den Geschäfts- und Bankenvierteln die Angestellten wieselflink aus Büros und Läden auf die Straßen. Schnell waren alsbald umliegende Cafes, Bistros und Speiselokale besetzt, um in aller Ruhe etwas essen zu können. Viele machten es sich auch in den zahlreichen Parks der nächsten Umgebung bequem und es hatte schon fast picknickartige Züge, wenn die Brotzeitdosen ausgepackt wurden. Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass es nichts gemütlicheres gibt, als in Montreals Straßenlokalen zu sitzen, zu plaudern und zu essen oder einfach nur bei einem Kaffee dem geschäftigen Treiben rings um einen herum andächtig zuzusehen.

Ein paar Wochen vor meiner Reise hatte ich mir verschiedene Reiseliteratur über Montreal besorgt. Aber natürlich erscheint einem alles – wenn man selbst vor Ort ist – ganz anders, als in den Reiseführern angegeben. Sehr hilfreich war mir zumindest der detaillierte Stadtplan in einem der Büchlein, das ich während meines gesamten Aufenthaltes ständig mit mir führte. Es ist im Übrigen – wie ich bald feststellte – trotz der immensen Größe der Stadt sehr schwer sich zu verlaufen. Die großen Hauptstraßen führen in der Regel gerade durch die Stadt. Dazwischen liegen die kleineren Straßen als Querverbindungen – das ist das ganze Geheimnis……

Schwieriger ist es dagegen – nach meinem Empfinden – in der Stadt mit dem Bus zu fahren. Fast bis zum Schluß meines Aufenthalts blieb es mir im Verborgenen, wie man es schafft den richtigen Bus in die richtige Richtung zu nehmen. Erschwert wurde dies zusätzlich durch die meist sehr unfreundlichen Busfahrer/-innen, denen es offenbar lästig war, wenn sie – noch dazu auf ENGLISCH – um Auskunft gebeten wurden. So beschränkte sich meine motorische Mobilität auf die Metro, wo ich zumindest grob in die Richtung kam, die ich erkunden wollte. Ansonsten war „Fußarbeit“ angesagt, was meiner bis dahin leidlichen Kondition sehr entgegenkam……

Erst nach einigenTagen begann mein Körper sich vorsichtig an die Zeitumstellung zu gewöhnen. Ich konnte mittlerweile nachts durchschlafen und wachte morgens gegen sieben auf. Es folgte ein kleines Frühstück und weiteren Erkundungstouren stand danach nichts mehr im Weg.

Etwa fünf Gehminuten vom Appartement meiner Tochter entfernt, lag erfreulicherweise die Metrostation „Prefontaine“. Montreal besitzt – ähnlich München – vier Metro-Linien, die praktisch mehr oder weniger grob die Stadt im Untergrund erschließen. Die einzelnen Linien werden auf den Metro-Fahrplänen der Übersichtlichkeit halber in verschiedenen Farben dargestellt. Zusätzlich wird die Stadt von Süd nach Nord und von West nach Ost von zwei großen Eisenbahnlinien gequert, die gleichzeitig auch Montreal mit dem Rest des kanadischen Ostens verbinden.

Den höchsten Punkt Montreals findet man am „Mont Royal“. Auf ihm errichtete im Jahre 1535 Jacques Cartier bei seiner zweiten Expedition zu Ehren des französischen Königs Franz I. ein mächtiges Holzkreuz, das noch heute als beliebtes Ausflugsziel dient. Damals lebten rund um den Berg, dem Gebiet der heutigen Mc Gill Universität, etwa 1000 Indianer. Deren Vorväter besiedelten schon im 5. Jahrhundert die Region um die heutige Stadt. Das eigentliche Gründungsdatum Montreals wird allerdings auf das Jahr 1642 datiert, als ein gewisser Paul de Chomedey eine französische Siedlung namens „Ville Marie“ auf der „Isle de Montréal“ ins Leben rief.

In der Geschichte Montreals wird in den darauf folgenden Jahrzehnten an Scharmützeln nicht gerade gespart. Immer wieder kam es mit den Irokesen, die keine Lust hatten sich von den Neuankömmlingen missionieren zu lassen, zu blutigen Auseinandersetzungen. Erst im Jahre 1701 schlossen die Franzosen im „Vertrag von Montréal“ Frieden mit den Indianern. Wichtigstes Handelsgut der damaligen Zeit waren im übrigen Pelze, die aus dem Hinterland zu hunderttausenden herangeschafft wurden.

Am „Grand Chalet“, der großen Aussichtsterasse des Mont Royal, gibt es nicht nur kostenlos den grandiosesten Blick auf die gesamte Südseite der Stadt und seinem hügeligen Hinterland, sondern Besucher können in dem etwa 2 km² großen „Park du Mont Royal“, der „grünen Lunge“ Montreals, ihre Seele nach Lust und Laune baumeln lassen. In dem zum Naherholungsgebiet ausgebauten Plateau des Berges finden sich u.a. eine weitläufig angelegte Parkanlage mit einen kleinen See, großzügigen Wiesenflächen zum Picknicken und Sonnenbaden und zahlreiche Wege, die ein wahres Fitness-Eldorado für Jogger und Radfahrer sind. Begeistert haben mich am Mont Royal nicht nur die Ruhe und Stille inmitten einer pulsierenden Stadt, sondern die vielen Streifen- und Eichhörnchen, die am hellichten Tag ungeniert im Park herumtollten. Viele Besucher spazierten – ausgestattet mit großen Tüten voller Erdnüsse – über die Parkanlagen, und nicht lange hatte sich eine ganze Schar Eichhörnchen eingefunden… Die niedlichen Vierbeiner warteten gespannt mit den begehrten Leckerbissen gefüttert zu werden.

Absolutes Highlight war ohne Zweifel der Besuch des „Grand Chalet’s“ nachts gegen 22.00Uhr. Ein wenig witzig war schon die Anfahrt in Richtung des Plateaus. Seitlich am Straßenrand befanden sich in Abständen zwei Parkplätze, die ebenfall als Aussichtspunkte genutzt werden. Hier parkten – dicht an dicht – ein Auto neben dem anderen. Wie mir Anjas Freund erklärte, treffen sich an dieser Stelle Nacht für Nacht dutzende Jugendliche – die meisten unter 18 – und feiern ausgelassen irgendwelche Feste. Nach kurzer Parkplatzsuche machten auch wir Halt, zwecks Aussicht, doch – was lugte denn da aus einem der Abfallkörbe?? Wir hatten einen Waschbären bei seiner Beutesuche gestört 🙂
Auf dem Plateau angekommen  erreichten wir schließlich nach einem kurzem Fußmarsch die großzügig angelegte Aussichtsplattform. Was für ein unvergesslicher Anblick! Millionen von Lichtern erhellten die Stadt! Was für ein fantastisches Erlebnis! Noch heute bin ich Martín für die Fahrt nächtens quer durch die halbe Stadt dankbar, um „Montreal bei Nacht“ zu sehen.

Emotional sehr bewegt hat mich einer der größten Friedhöfe der Stadt, „Cimetière Mont Royal“, der auf der nördlichen Seite des Mont Royals in Hanglage liegt. Er reicht vom Fuße des Berges bis hinauf auf das Plateau. Der Anblick von hunderten beinahe identisch aussehenden Gräbern, eins ums andere aneinander gereiht, ist mir bis heute im Gedächtnis haften geblieben. Mehr als einmal saß ich – im Schatten der Bäume – an diesem ruhigen Ort, um aus der Hektik der Stadt heraus etwas zur Ruhe zu kommen.

Unterhalb des Friedhofs, auf eine leichte Anhöhe gebaut, ist eines der meist frequentiertesten Monumente Montreals, das 1924 erbaute „Oratoire Saint-Joseph“. Die Basilika, die über 300 schweißtreibende Stufen zu erreichen ist, ist der zweitgrößte christliche Sakralbau der Welt und scheint allem Irdischen entrückt zu sein. Ihren gedanklichen Ursprung findet die Basilika in einer kleinen, hölzernen Kapelle, die ein Glaubensbruder des hl. Joseph – Mönch Frère André – 1904 ihm zu Ehren an diesem Ort gebaut hat. Frère André wurden im Laufe der Zeit Heilkräfte nachgesagt, was schon bald eine wahre Pilgerflut von Kranken und Gebrechlichen nach sich zog. Heute ist das „Oratoire“ eine der wichtigsten Wallfahrtsorte Nordamerikas überhaupt, jährlich besuchen rund 2 Millionen Gläubige die Basilika, in dessem Inneren sich die ursprüngliche Kapelle und das Grab des 1982 selig gesprochenen Mönchs befindet.

Das Wetter blieb mir auch die folgenden Tage hold, es war sonnig und fast schon unangenehm warm. Eines meiner bevorzugtesten Ziele war „Down Town“ in dessem Zentrum Mc Gill liegt. Im „Business District“ sind nicht nur zahlreiche Banken und Hotels, sondern auch viele Haupteinkaufsstraßen gelegen. Zwar kann sich das montrealesische „Wolkenkratzerviertel“ größenmäßig kaum mit seinem Equivalent Manhatten in New York messen, dennoch strahlte es auf mich eine nie da gewesene Anziehungskraft aus.

Nicht weit von Mc Gill entfernt, liegt „Place Ville Marie“, ein verspiegelter Hochhauskomplex, der sich auf einem kreuzförmigen Grundriss erhebt. 1962 wurden unter diesem Gebäude die ersten Geschäfte Montreals exorbitant großer Shoppingmeile – „Ville Souterraine“ eröffnet, eine Untergrundstadt, die wahrlich ihresgleichen sucht. Mittlerweile befindet sich auf mehreren Ebenen und mit Metrobahnsteigen, Hochhauskomplexen und oberirdischen Außeneingängen verbunden, ein weit verzweigtes, kilometerlanges System von Banken, Kaufhäusern, Einzelhandelsgeschäften, Boutiquen, Restaurants, Fast-Food-Läden, Hotels, Kneipen und Kinos. Die unterirdische Einkaufsstadt ist im Laufe der Jahre auf eine Länge von 29km angewachsen und mit 1600 Geschäften, 200 Restaurants, 40 Banken und 30 Kinos die größte ihrer Art weltweit. Mehr als einmal hatte ich versucht mich in diesem Ladenlabyrinth zurechtzufinden, aber ohne Erfolg.

Systematisch erkundete ich weiter Tag für Tag die Umgebung verschiedener Metro-Stationen, meistens die der „grünen Linie“. Besonders interessant fand ich den Place d’Artes, einen großzügig angelegten Platz mit Springbrunnen und Treppen, der – umgeben von einem Ensemble aus Konzertsälen, Theatern und Ausstellungsräumen – stets gut bevölkert war. Hier tummelten sich bevorzugt Skateboardfahrer, denen es offenbar Freude machte ihre Künste dem restlichen Publikum zu präsentieren.

Vom Place-des-Artes aus gelangt man auf eine der schillerndsten Einkaufsstraßen der Innenstadt, die „Rue Ste Catherine“. Wer bei einem Besuch in Montreal nicht wenigstens einmal an den unzähligen Boutiquen, Cafes und Restaurants vorbeiflaniert ist, ist wirklich zu bedauern und hat ein Stück „real life“ Montreals schlichtweg ausgelassen!. Ich selbst querte allerdings aus einer ganz anderen Ecke auf die Straße auf – zu Fuß versteht sich – und irgendwann – in sengender Mittagshitze – hatte ich fast schon die Hoffnung aufgegeben jemals wieder den Eingang einer Metrostation zu finden, was die Behauptung meiner Tochter, Rue Ste Catherine wäre endlos, in meinen Augen nur untermauerte.

Einen Tag hatte ich mir für einen Trip ins chinesische Viertel, dem Kleinen China Town reserviert. Meine Tochter schwärmte oft wie „cool“ es dort wäre, sodass ich nicht umhin kam es mir selbst anzusehen. Zwar hat China Town im Grunde nur eine einzige wichtige Einkaufs- und Verkehrsstraße, die meiner Meinung nach jedoch eine ganze Menge asiatisches Flair verströmte.

Auch der „Altstadt“ Montreals „Vieux Montréal“ mit seinen Kopfstein gepflasterten Gassen, war ich recht gewogen. Sie war einer der wenigen Orte der Stadt, die mich ein wenig an das ferne Europa erinnerte. Unweit der Metrostation Place d’Armes z. B. liegt eine der eindrucksvollsten Kirchen der Stadt, die großartige „Basilique Notre Dame“. Sie ist die älteste Kirche der Stadt und wurde 1657 errichtet. Allerdings suchten in Folge mehrere Brände die Basilika heim und so wurde eines Tages ein Neubau unumgänglich. Im Inneren werden zahlreiche von Matrosen gestiftete Schiffsmodelle aufbewahrt.

Kirchen in Montreal sind sowieso ein ganz eigenes Kapitel für sich. Als Europäer erwartet man gerade in Kanada, wo kaum krichlichlicher Proporz existiert, eher nüchtern und zweckmäßig eingerichtete Sakralbauten. So war ich nicht minder erstaunt, als ich mir eine Eintrittskarte für jene Basilika kaufte, in der man als Besucher sogar auf d e u t s c h die Entstehungsgeschichte in Broschüren nachlesen kann. Niemals zuvor sah ich in irgendeiner Kirche meiner Heimat derartig märchenhafte Pracht. Es war unglaublich – ich befand mich in einem Hauch aus 1001 Nacht! Nicht anders erging es mir beim Besuch manch anderem Gotteshauses in Montreal. Ich kann nur jedem Reisenden ans Herz legen wenigstens eine dieser vielen sehenswerten Kirchen sich genauer anzusehen.

Eine Metro-Station weiter am „Champ des Mars“ liegt Montreals alt-ehrwürdiges Rathaus, das „Hôtel-de-Ville“, von dessen Balkon Charles de Gaulle 1967 mit dem Ausruf „Vive le Quebec libre!“ die Separationsbewegung neu entfachte. Gleich unterhalb des Rathauses erstreckt sich in abschüssiger Lage ein breiter, gepflasterter Platz – verkehrsberuhigt und gesäumt von etlichen kleinen Cafes in denen – besonders im Sommer – die Montrealesen gemütlich ihren Kaffee trinken. In Sichtweite des Rathauses liegt zudem der alte Hafen Montreals, der für Fotografen ein wahres Eldorado ist.

Schnell war die erste Woche vergangen und es gab noch so vieles, was ich besichtigen hätte wollen. Auf keinen Fall entgehen lassen wollte ich mir jedenfalls das futuristisch aussehende „Biosphere“ auf einer der beiden Inseln Montreals – Ile Saint-Helene. Der Gedanke beim Anblick der kuriosen, netzwerkartigen Aluminiumkonstruktion, man befände sich mitten in einem Science-Fiction-Film, liegt durchaus nahe, wenn man dem 80m hohen Gebäude gegenüber steht. Auf dem Rest der Insel befindet sich unter anderem ein riesiger Vergnügungspark und ein ebenso großes Freizeitgelände, dessen Ursprung auf die in Montreal 1967 veranstaltete Expo zurück geht. Auch das Bioshpere-Gebäude ist ein Überbleibsel der Expo und lockt immer noch tausende Besucher an. In dessen Innerem gibt es ständig Ausstellungen zum Thema Ökologie des St.-Laurent-Flusssystems und der Großen Seen.

Während meines Spazierganges auf dem weitläufigem Gelände der Insel entdeckte ich vollkommen unverhofft ein paar putzige Vierbeiner. An einer Stelle des Flußufers tummelten sich in der Morgensonne munter einige Murmeltiere und irgendwie erinnerte mich ihr Anblick an den Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“. Leider waren die possierlichen Tierchen sehr scheu, sodass ich mich ihnen nur bis auf knapp 20 Meter nähern konnte. Überhaupt begegneten mir gerade auf dieser Insel das eine oder andere typisch „amerikanische“ Objekt, wie z.B. die großen gelben Schulbusse, die ich aus amerikanischen Fernsehfilmen kannte.

An einem der sonnigen Nachmittage stand auch der „Parc la Fontaine“ auf dem Programm. Er lag nur eine Metrostation zur Wohnung meiner Großen entfernt, unweit der Rue Sherbrook, der größten Straße im Osten Montreals. Am Rande des Parks konnte man sich an einem künstlich angelegten See erfrischen oder man lag unter den vielen schattenspendenden Eichen und Buchen im Gras und ließ den lieben Gott einfach einen guten Mann sein. Anja und ich besuchten den Park an diesem Tag allerdings wegen der zahlreichen Eichhörnchen, die hier lebten. Kaum zu glauben, welch witzige und kuriose Szenen sich hier abspielten. Immer wieder scharten sich die wieselflinken Kletterer in Scharen um eine einzige Person, solange sie nur mit Erdnüssen gefüttert wurden. Zuerst pirschten sich nur ein oder zwei der Nagetiere vorsichtig an das Objekt ihrer Begierde. Doch sobald klar war, dass es fressbares gab, fanden sich am Ende oft mehr als ein Dutzend der Tierchen am Futterplatz ein. Die angebotenen Nüsse wurden einem förmlich aus der Hand gerissen!

Meine letzten Tag in Montreal verbrachte ich mit Spaziergängen durch verschiedene Viertel der Stadt, in der Hoffnung das typische „canadian way of life“ zu finden. es stellte sich heraus, dass  Arm und Reich oft nur eine Querstraße voneinander trennt. Dass vieles, was nicht mehr benötigt wird, in mehr oder minder großen Plastiktüten auf den Bürgersteigen deponiert wird, wo es irgedwann vom Mülldienst entsorgt wird. Einiges im Leben der Montrealesen spielt sich außerdem auf den typisch kleinen, überdachten „Vorhaus-Terassen“ der Wohnhäuser ab.

Als ich nach knapp zwei Wochen Montreal für den Rückflug am Flughafen stand, war ich trotz vieler herausragender Erlebnisse froh bald wieder heimatliche Erde unter den Füßen spüren zu können. Beim Landeanflug auf München dankte ich im stillen meinem Herrgott, in Bayern wohnen zu dürfen 🙂 Von oben betrachtet erschien mir dieses Fleckchen Erde als überschaubar und wohlgeordnet. Es war schön wieder daheim zu sein! Hinter mir lagen teils abenteuerliche Tage, die man zusammenfassend umschreiben könnte mit: „Kevin allein in New York“……….. ABER – es war  soooo cool!