„Stadt-Land-Fluß“, fällt mir als erstes ein, wenn ich an Passau denke und als „Drei-Flüsse-Stadt“ ist sie vielen Touristen sofort ein Begriff. Obwohl ich in Passau geboren und mein Lebensmittelpunkt unweit von ihr gelegen ist, entdecke ich immer wieder neues an ihr und sei es nur das wechselhafte Licht im Verlauf des Tages, das die Häuserzeilen der Stadt in faszinierende Farben taucht.
Eingebettet inmitten von Donau, Inn und Ilz lebt die Stadt in einem Ambiente, das sie zu Recht mit dem Beinamen „das Venedig Bayerns“ schmückt. Als eines der ältesten Bistümer Deutschlands, verbreitete Schon im 5. Jahrhundert der hl. Severin am ehemaligen römischen Kastell Boiotro den christlichen Glauben unter den Bajuwaren. 250 Jahre nach Abzug der Römer erhob Papst Gregor III. 739 die Siedlung zum Bischofssitz.
In den Jahren 1662 und 1680 fiel die Stadt zwei großen Stadtbränden zum Opfer, denen zum großen Teil nicht nur die Altstadt, sondern vor allen Dingen der gotische Stephansdom zum Opfer fiel. Von dem ursprünglich romanischem Bau ist nach den beiden Stadtbränden im 17 Jahrh. nicht viel übrig geblieben. Italienische Baumeister, Maler und Stuckateure errichteten daraufhin einen barocken Dom mit „gotischer Seele“. Der bei den Bränden erhalten gebliebene gotische Ostchor wurde meisterhaft in den barocken Neubau integriert.
Der Erhalt und natürlich auch die Restaurierung der historischen Bausubstanz ist bis heute ein kostenintensives Unterfangen geblieben, das zu allem Überfluß durch die fast jährlich wiederkehrenden Überschwemmungen der Alt- und Innstadt zusätzlich erschwert wird.
Als Kaiser Joseph II. 1783 Passaus österreichische Besitzungen einzog und es auf ein siebtel seiner ursprünglichen Größe schrumpfte, verlor das Fürstbistum all seine Privilegien. Mit der Säkularisation 1803 endete die fürstbischöfliche Herrlichkeit mit einem Schlag, letztendlich zu Gunsten des neu entstandenen Königreichs Bayern.
Im 19. Jahrhundert versank die Stadt in triste Bedeutungslosigkeit, was paradoxerweise sehr zum Erhalt der historischen Bausubstanz beitrug. Das ist – neben der Donauschifffahrt – einer der Gründe, warum Passau heute bis weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt ist.
Auch gesellschaftlich und kulturell hat Passau einiges zu bieten. Gemütliche Cafes, Kneipen und Lokale laden ein zum Verweilen. Im kulturellen Bereich bieten verschiedene Kleinkunstbühnen über das Jahr verteilt ein anspruchsvolles Programm. Besonders angesagt ist das „Scharfrichterhaus“, das mit Kabarettisten wie Sigi Zimmerschied, Bruno Jonas oder Rudi Klaffenböck überregional berühmt geworden ist. So wird alljährlich der kabarettistische Nachwuchs während den sogenannten „Kabarett-Tagen“ von Oktober bis Dezember mit dem begehrten „Scharfrichter-Beil“ ausgezeichnet.
Ein weiteres kulturelles Highlight sind jedes Jahr die Europäischen Wochen, die 1952 mit viel lokalem Engagement ins Leben gerufen wurden. Musiker, Tänzer, Schauspieler und Dichter bieten während der Festspiele von Juni bis Juli ein breit gefächertes Programm. Unbestrittener Höhepunkt der Festwochen ist ohne Zweifel die „Orgelnacht“ im Dom, die seine Zuhörer bis in die frühen Morgenstunden auf einem Klangteppich der ganz besonderen Art schweben lässt.
Verschiedene Museen, wie z.B. das Museum Moderne Kunst mit seinen regelmäßig wechselnden Ausstellungstehmen, das Passauer Glasmuseum, das Oberhausmuseum oder das barock gehaltene Domschatz- und Diözesanmuseum am Residenzplatz, bereichern zusätzlich die Kulturszene in Passau. Letzteres spricht mich persönlich mit seinen großzügig gehaltenen Räumlichkeiten besonders an. Der barocke Buchbestand der Bibliothek mit seinen Fresken umfasst rund 200 Meisterwerke romanischen bis barocken Kunstschaffens. Sie bezeugen eindrucksvoll Geschichte, Glaube und Frömmigkeitsformen des ehemaligen Großbistums Passau.
Allein das Treppenhaus der bischöflichen Residenz lohnt einen Besuch. Seine schlichte Eleganz strahlt Ruhe und Ehrwürdigkeit aus, man möchte darin verweilen, inne halten und alles um sich herum vergessen. Es ist, als würde man sich beim Eintritt in die von Licht durchflutete Eingangshalle in eine von anderen Werten beseelte Welt begeben. Nicht wenige, die nur um des Treppenhauses Willen die Residenz besuchen – mich selbst eingeschlossen….
Als Gegenstück – imposant und grandios zugleich – steht inmitten Passau’s Altstadt der Stephansdom. Auf einem Felsen zwischen Inn und Donau gebaut, dominiert er immer noch die in 2000 jähriger Geschichte gewachsene Stadtlandschaft, im Mittelalter das Zentrum eines der größten geistlichen Reiche. Besucher aus aller Welt bestaunen heute zahlreiche Gewölbefresken, die Figuren geschmückte Kanzel und den Kreuzgang mit alten Grabplatten.
Mich begeistert am Dom nicht nur Baukunst in höchster Vollendung, sondern auch die Kirchenorgel – die weltgrößte ihrer Art. 231 Register und 17.388 Pfeifen garantieren ein fantastisches, unvergessliches und gleichzeitig erhebendes Klangerlebnis. Weit über Passau hinaus bekannt sind deshalb die von Mai bis Oktober täglich um die Mittagszeit stattfindenden Konzerte.
„Gegenüber“, auf der anderen Seite der Donau, thront über der Stadt die Veste Oberhaus. Sie diente den ehemaligen Fürstbischöfen mehrmals als Trutzburg vor dem „rebellierenden Mob“.
Vom Handel reich geworden, wollten die Passauer ihre Selbstverwaltung und revoltierten immer wieder gegen die Macht der Geistlichkeit. Die Fürstbischöfe schossen – 108m über der Stadt – auf die aufständischen Bürgerlichen und deren Rathaus mit Kanonen und wehrten sich so mehrmals erfolgreich gegen das auf Selbständigkeit fordernde Volk.
Später diente die Burg jahrhundertelang als Gefängnis für politisch Gefangene und galt bis ins Jahr 1918 als berüchtigste „Bastille Bayerns“.
Heute hat die Veste ihre Bedrohlichkeit natürlich gänzlich verloren. Sie beherbergt – ganz zeitgemäß – ein Museum. Speziell Kinder kommen auf ihre Kosten, indem sie das Leben auf der mittelalterlichen Burg kennen lernen können. In einem Teil der Burg befindet sich zudem die städtische Jugendherberge. Vor Jahrhunderten noch umkämpft, bietet die Veste und ihr Aussichtsturm Besuchern einen atemberaubenden Blick über die ganze Stadt.
Vís à vís von „Burg Oberhaus“ blickt man auf einen anderen der sieben Hügel der Stadt. Auf ihm – hoch oben über der „Innstadt“ – steht das 1627 erbaute, ehemals von Kapuzinern bewohnte Kloster „Mariahilf“, ein bis heute wichtiger Marien-Wallfahrtsort. Bekannter als das Kloster selbst, das seit 2004 von Patres des Paulinerorden bewohnt wird, dürfte wohl die dem Kloster angegliederte Wallfahrtskirche sein. Sie erreicht man u.a. über eine 321 Stufen lange, überdachte Treppe, die von der Innstadt aus zur Kirche hinauf führt. Ihr Aufgang ist mit zahlreichen Votivtafeln geschmückt. Gläubige beten seit Jahrhunderten jede einzelne Stufe einen Rosenkranz, bis die Kirche erreicht worden ist.
Domdekan von Schwendi lies nach mehreren Marienvisionen 1622 auf dem Berg eine Kapelle errichten. Kaiser Leopold I. flüchtete 1683 nach Passau, als Wien durch die Türken belagert wurde. Täglich pilgerte das Kaiserpaar – begleitet vom Kapuzinerpater Markho – zur Kirche, um vor dem Gnadenbild Marias Hilfe zu erflehen. Am 12. September 1683 gab man an die Truppen die Gefechtsparole „Maria Hilf!“ aus. Die Türken wurden an diesem Tag in der Schlacht am Kahlenberg entscheidend geschlagen und Wien befreit.
Rund um das Kloster und die Kirche erstreckt sich ein idyllischer Park. Schmale Kieswege laden zu erholsamen Spaziergängen ein. Der Aussichtspunkt hinter dem Kloster ist bei Ausflüglern und Einheimischen sehr beliebt – er bietet einen weiteren grandiosen Blick auf die ganze Stadt.
Zu Füßen Mariahilfs liegt der nächste geschichtsträchtige Stadtteil Passau’s – die sogenannte „Innstadt“. 80 nach Christus wurde hier das Kastell Bojodurum gegründet, 270 nach Christus folgte zwischen der heutigen Lederergasse und Jahngasse das römische Kastell Boiotro. Bis in unsere Tage konnten etliche Gebäude und Mauern hinüber gerettet werden.
Um 450 bis 480 nach Christus beginnt für Passau die Zeit des heiligen Severins von Noricum, der in der Innstadt nahe des Kastells Boiotro eine kleine Gebetszelle und das erste Kloster Bayerns errichtete. Ihm zu Ehren wurde im Mittelalter die spätantike Urkirche geweiht, die als Kirche St. Severin über all die Jahrhunderte bis heute die Friedhofskirche für die Innstädter ist und war.
So zählen der Friedhof um die Kirche sowie die Kirche selbst zu den ältesten kontinuierlich erhaltenen Begräbnis- und Kultorten des deutschen Kulturraumes. Um die Kirche herum finden sich Grabsteine aus dem 13. bis 19. Jahrhundert, sowie unter der Empore ein römischer Gedenkstein für den Zöllner Faustianus aus dem dritten Jahrhundert nach Christus.
Im Jahre 1610 wurde das Kapuzinerkloster in der Innstadt gebaut, 1803 wieder aufgegeben und einige Zeit später zum Innstadtkeller umgebaut. 1662 vernichtete ein verheerender Stadtbrand einen Großteil der Innstadt, vor allen Dingen ihren östliche Teil, in dem das ehemalige Kapuzinerkloster und die Wallfahrtsstätte Mariahilf gelegen waren.
Passau – Altstadt
Passau – Dom
Passau – Innstadt