Zwischen Donau, Böhmerwald und österreichischer Landesgrenze breitet sich der Bayerische Wald – „das grüne Dach Europas“ aus. Mit seinen 6000km² Fläche stellt er die größte zusammenhängende Waldlandschaft Mitteleuropas. Erste Besiedelungen fanden bereits 8000 bis 2000 v. Chr. nach dem Ende der letzten Eiszeit statt. Jäger und Sammler lebten und durchstreiften zu dieser Zeit das unwegsame, unwirtliche Waldgebirge. Ab dem 5.Jahrtausend vor Christus wanderten immer wieder neue Volksgruppen entlang der Donau nach Norden und ließen sich im „Vorwald“ nieder. So gelangten neue Handwerkstechniken und Anbaumethoden in den Bayerwald.
2000 bis 15 v. Chr. verbanden Fernhandelswege die Region mit anderen Teilen Europas. Die dort ansässigen Bewohner im Bayerischen Wald – die Kelten – siedelten auf den Höhenzügen der Region. Zwischen dem 6. bis 8.Jahrhundert wurden planmäßig Wälder gerodet, in mühsamer Arbeit Siedlungen, Felder und Wiesen angelegt und in der Folge auch die unwegsamen Gebiete vor der Hauptbergkette mit den Gipfeln Osser, Arber, Falkenstein, Rachel, Lusen und Dreisessel erschlossen. Mönche machten den „Nortwald“ zugänglich und mit ihrer Hilfe ging die innere Besiedlung des Hügellandes rasch voran. So wurden auch die Randgebiete des heutigen Bayerischen Waldes erfaßt und landwirtschaftlich kultiviert.
Zum großen Teil verdanken wir die Erschließung des Waldgebirges jedoch den Agolifingern, Bayerns erster Herzogsdynastie. Unter ihrer Herrschaft entstand im frühen Mittelalter eine „bajuwarische Klosterlandschaft“: Über 50 Klöster wirkten damals als geistliche und kulturelle Zentren des Landes. Es gehörte zu einer der wichtigsten Aufgaben der Klöster die Wälder zu roden und Neuland zu erschließen.
Etwa im 8.Jahrhundert setzte der Salzhandel – ausgehend von der Donau – in Richtung Böhmen ein. Salz hatte über Jahrhunderte hinweg große wirtschaftliche Bedeutung in vielen Orten des südöstlichen Bayerischen Waldes, da das benachbarte Böhmen über keine eigenen Salzvorkommen verfügte und das nächste salzreiche Gebiet in den Alpen lag. Das begehrte Gewürz aus dem Salzkammergut wurde zuerst auf Boote verfrachtet und gelangte über Salzach und Inn nach Passau. „Säumer“ transportierten anschließend das wertvolle Gut auf oft mehr als 1000 Rössern unter größten Mühen und Strapazen durch unwegsamstes Gelände hinüber nach Böhmen. Eine der damals wichtigsten Handelsstraßen – die 1010 erstmals erwähnte Salzstraße „Goldener Steig“ – führte durch das Waldgebirge von Passau über Waldkirchen nach Böhmen. Der Goldene Steig ist damit einer der ältesten Verbindungen zwischen Bayern und Böhmen und als solcher in die Geschichtsbücher eingegangen. Noch heute erinnert an die Bedeutung des Salzhandels das jedes Jahr stattfindende Säumerfest am ersten Wochenende im August, bei dem – ganz wie damals – Säumer mit ihren Pferden und Planwagen einen Teil der damaligen Wegstrecke in mehreren Tagen nachstellen. In der Salzsäumerstadt Grafenau – dem Ziel des Säumerzuges – feiert man zum Schluß mit großem Pomp den Einzug der Karawane.
Ab dem 12.Jahrhundert erlebt der Bayerische Wald dank seiner strategischen Lage an wichtigen europäischen Handelswegen eine wirtschaftliche Blüte, die wiederum Kriege um Land und Gut nach sich zogen. Im 15.Jahrhundert plünderten die Hussiten das Waldland und brandschatzten Klöster, Dörfer und Städte. Auch die Böckler (1466), die Löwler (1489), der Spanische (1701 – 1714) und nicht zuletzt der Österreichische Erbfolgekrieg (1740 – 1748) verwüsteten das Land. Der Dreissigjährige Krieg 1618 – 1648 bringt Chaos und Zerstörung. Er hinterlässt nichts als verbrannte Erde. 1803 werden im Zuge der Säkularisation alle Klöster aufgelöst und kurze Zeit später das Königreich Bayern gegründet. 1918 dankten die Wittelsbacher ab, Bayern und mit ihm der Bayerische Wald wird „Freistaat“. Nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich werden dem Bayerischen Wald durch den Ost-West-Konflikt von einem Tag auf den anderen die traditionellen Handelsverbindungen gekappt, weite Teile der bis dahin florierenden Wirtschaft kommen zwangsläufig zum Erliegen. Nicht lange danach spricht man landauf, landab vom Bayerwald als „Armenhaus Bayerns“.
Ein weiteres, geschichtsträchtiges Thema im „Woid“ ist die Glaskunst. Erste Glashütten entstanden vor rund 700 Jahren, als durch flüchtende Glasmacher aus Nord-Italien und Venedig, die hier ideale Bedingungen für die Glasherstellung fanden, das streng gehütete Geheimnis dieser Handwerkskunst auch im Bayerischen Wald bekannt wurde. Es entwickelte sich zum traditionsreichsten Handwerk des Bayerwalds und hat bis heute Bestand. Besondere Bedeutung für das Glashandwerk hatte das Holz der waldreichen Gebiete entlang der Hauptbergkette. Es diente als Energiequelle am Glasofen und war andererseits für die Gewinnung von Pottasche zusammen mit Quarzsand wichtigster Rohstoff für die Glasschmelze.
Das Handwerk prägte Mensch und Landschaft gleichermaßen. Viele der im Wald ansässigen Bauern lieferten für die Glashütten aus ihren eigenen Wäldern das Holz, andere wiederum fanden ihr Auskommen als Glasbläser oder Arbeiter in den Werkstätten. Die Verbreitung der Glasherstellung ergab sich durch das „Wandern“ der Glashütten. Gingen an einer Stelle die Vorräte zur Neige, begann man an anderer Stelle neu produzieren. So fertigt man seit beinahe 700 Jahren zwischen Furth im Wald und Freyung Glas auf höchstem Niveau. Arbeiten von Glaskünstlern wie Erwin Eisch gehören schon lange zum Fundus internationaler Museen.
Ganz ohne Zweifel ist der Bayerische Wald ein herber und weiträumiger Landstrich, den es lohnt Stück für Stück kennenzulernen. Angesichts der wechselhaften Geschichte des „Waldgebirges“ ist es nicht verwunderlich, wenn uns der „Woid“ nicht nur eine große Anzahl kulturgeschichtlicher Denkmäler und malerisch gelegene Kirchen und Museen, sondern auch ein in vielen Jahrhunderten gewachsenens Brauchtum bietet.